10. Newsletter im Januar 2013

Das Bundesverwaltungsgericht (BVG) hat anfangs Januar die Beschwerden mehrerer Gemeinden und Privatpersonen gegen die Hochspannungsleitung Mörel-Ulrichen durchs Goms gutgeheissen und das Bundesamt für Energie (BFE) angewiesen, eine Verkabelungsstudie von unabhängigen Experten zu verlangen.

HSUB ist über diesen Entscheid sehr glücklich, zeigt er doch, dass unser Anliegen
– die Verkabelung von Hochspannungsleitungen – zunehmend an Akzeptanz gewinnt.

Unter www.hsub.ch / «Aktuell» sind Pressekommentare dazu aufgeschaltet.

HSUB hat auch an der Vernehmlassung zur «Energiestrategie 2050» teilgenommen.
Unsere Stellungnahme finden sie unter: http://www.hsub.ch/ESG2050_Antwort_HSUB.pdf

Nachfolgend ein Kommentar unseres HSUB – Vorstandsmitglieds Jürg Schildknecht zum BVG-Urteil zur Gommerleitung.

Erdverlegung der Gommerleitung muss geprüft werden
Urteil des BVGer vom 3.1.2013

Mit Verfügung vom 30. Juni 2011 genehmigte das BFE das Plangenehmigungsgesuch der Gesuchstellerin (Einfache Gesellschaft Obere Rhonetalleitung, das sind 7 EW- bzw. Netzgesellschaften) betreffend den Bau bzw. Umbau der 380/220/132/65 kV-Hochspannungsleitung zwischen Bitsch und Ulrichen. Dabei wies es sämtliche Einsprachen ab, und enteignete die für den Bau sowie Betrieb der genehmigten Hochspannungsleitung erforderlichen Grunddienstbarkeiten.
Gegen diese Genehmigung hat eine kleine Gruppe von Privatpersonen Beschwerde eingereicht. Die wichtigsten Einsprachepunkte waren auf vorangegangenen Bundesgerichtsurteilen begründet. Beim Urteil des BVGer vom 3.1.2013 gibt es nun sehr erfreuliche und, aufgrund der BG-Praxis, schon lange erwartete und tatsächlich auch wegweisende Entscheide:

  1. Eine alternative Lösung zu einer projektierten Freileitung, nämlich die Erdverlegung, kann nicht abgewiesen werden, ohne dass diese geprüft wurde (wie das so oft erfolgt ist in der Vergangenheit).
  2. Weil ein günstiger Korridor für eine Erdverlegung anders liegen kann als für eine Freileitung, kann der SÜL nicht sakrosankt sein und muss gegebenenfalls für die Erdverlegung angepasst werden. (Was voraussichtlich bedeutet, dass der SÜL künftig beide Varianten einschliessen muss.)
  3. Gemeinden kann die Durchsetzung öffentlicher Interessen zugestanden werden; damit erfüllen sie dieselbe Funktion wie die ideelle Verbandsbeschwerde zur Einsprache gegen ein gesamtes Leitungsprojekt, das die Gemeindegrenzen überschreitet. Die Beschwerdelegitimation ist nicht an einen Beschwerdegrund gebunden.

Obigen Punkten darf man allgemeine Gültigkeit zuordnen. Die folgenden Punkte sind eher nur für den Fall «Gommerleitung» gültig:

  1. Das BVGer rügt das BFE und verlangt die Beibringung einer unabhängigen Studie zur Erdverlegung der ganzen Gommerleitung, nicht nur zu dem Abschnitt, der von privaten Einsprechenden für den Landschaftspark Binntal gefordert wurde. Damit wird de facto per Gerichtsurteil das eingeführt, was schon am 5.5.2011 bei der Anhörung bei BR Leuthard an der Seite Ihres Juristen eigentlich als Resultat hervorgegangen war: jedes Freileitungsprojekt müsste begleitet sein von einem Verkabelungsprojekt. Leider hatte es das UVEK unterlassen, seinem BFE entsprechende Anweisungen zu geben. Nun hat die Jurisdiktion das vollzogen, was die Politik bisher gescheut hat.
  2. Die Formulierungen bei der Rüge des BFE bringen ziemlich offen zum Ausdruck, dass an der Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit dieses Amtes gezweifelt wird.
  3. Eine mit der UVP eingereichte «Pseudostudie» zur Erdverlegung der Gommerleitung wird als nicht unabhängig und untauglich gerügt, da sie allgemein gehalten ist und die Interessen der Gesuchstellerin schützt. Das ist eine klare Forderung nach Sachlichkeit und Unabhängigkeit, die vom BFE nicht richtig wahrgenommen wurde.
  4. Ein wichtiger Punkt war auch die Einsprache gegen die angebliche und pauschale Verunmöglichung einer Erdverlegung infolge der mitgeführten SBB-Leitung, weil behauptet wird, dass die Erdverlegung Resonanzprobleme erzeugt, welche das ganze SBB-Netz zum Erliegen bringen könnten. Wir haben versucht, dieser Behauptung gegenzuhalten, basierend auf der scheinbar einzigen diesbezüglichen Publikation durch eine Präsentation anlässlich einer Sitzung der AG LVS vom 13.12.2005. Kombiniert mit der «Power Tube» von Prof. Brakelmann haben wir vorgerechnet, dass der Effekt nur etwa 1% dessen sein würde, was behauptet wurde. Es gibt zum BVGer-Urteil ein Zusatzdokument, welches diesen technischen Teil abhandelt; leider ist das Papier auch in St.Gallen z.Zt. nur zur Hälfte vorhanden. Deshalb kann darüber erst später noch berichtet werden.
  5. Das BVGer begründet sehr ausführlich die Beschwerdelegitimation der Gommer Gemeinden und trennt die Legitimation von den Beschwerdegründen. Das BVGer argumentiert: «Dieses Beschwerderecht dient der Durchsetzung öffentlicher Interessen und erfüllt dieselbe Funktion wie die ideelle Verbandsbeschwerde…. Deshalb ist ihnen dieselbe prozessuale Stellung einzuräumen, wie den Organisationen, die eine ideelle Verbandsbeschwerde einreichen». (Ob sich die Umweltverbände nicht vorwerfen müssen, eine sehr legitime Einsprache verpasst zu haben?)
  6. Ein interessanter Punkt ist, dass das BVGer die sehr allgemeine Einsprache der Gommer Munizipal- und Burgergemeinden bei der Urteilsbegründung anspricht und die einsprechenden Privatpersonen unterordnet. Was sachlich richtig ist, wenn dann die Bewilligung für die Erdverlegung der gesamten Gommerleitung erteilt würde; damit wäre auch das Anliegen der Privateinsprecher erfüllt. Gleichwohl wird aber auf die Argumente detailliert eingetreten, welche die Privateinsprecher eingebracht haben und beurteilt diese Beschwerden.

Das Urteil gibt ein gutes Gefühl, weil damit die demokratischen Rechte der Einsprache gestützt werden und die Netzbauer indirekt gefordert werden, mit der betroffenen Bevölkerung verträglichere Leitungslösungen zu finden und Alternativvorschläge nicht einfach zu ignorieren. Insbesondere scheint es jetzt unabdingbar zu sein, dass mit einem Freileitungsprojekt auch ein Projekt für die Verkabelung eingereicht werden muss.

**********

Lange Bewilligungszeiten für Leitungsprojekte werden durch Projektanden selbst verschuldet

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Lehren gezogen aus vorangegangenen Bundesgerichtsurteilen. Wiederholt hatte das BVGer Einsprachen abgewiesen, die dann vom Bundesgericht gutgeheissen wurden. Und das BFE ist nun verpflichtet, Projekte für Erdverlegungen zusammen mit dem Freileitungsprojekt einzufordern. Damit kann die Laufzeit von umstrittenen Projekten wesentlich verkürzt werden:

  1. Wenn nicht mehr ans Bundesgericht weitergezogen werden muss, verkürzt sich ein Verfahren um 1-2 Jahre.
  2. Das BFE wird de facto angewiesen, die Prüfung der Erdverlegung zu fordern, womit die Projekte schon bei der ersten Auflag die entsprechende Planung einschliessen. Das hätte im Falle der Gommerleitung 5 Jahre Verfahrenszeit eingespart.

Es ist also nicht notwendig, dass das Beschwerderecht in Verfahren um Hochspannungsleitungen eingeschränkt werden muss, um die Verfahren zu beschleunigen, wie das von Swissgrid gefordert wird. Das BFE und das BVGer, somit auch die Projektanden, müssen berechtigten Forderungen der Bevölkerung bei der Planung rechtzeitig entgegenkommen!